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Sicherheit mit Tradition – Die Geschichte der Störlicht­bogen­prüfungen

Versuchsbericht und Anschreiben von 1970

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Wann wurden die ersten Störlichtbogenprüfungen durchgeführt?

Die Firma Scheidt kann auf über 130 Jahren Firmengeschichte zurückblicken. Doch wie alt ist die Geschichte der Störlichtbogenprüfungen? Daniel Sokolic, bei Scheidt zuständig für Konstruktion und Entwicklung, hat nachgeforscht: „Wäre ich noch vor einiger Zeit gefragt worden, hätte ich wahrscheinlich geschätzt, dass die ersten Störlichtbogenprüfungen in unseren Stationen irgendwann zwischen 1975 und 1980 durchgeführt wurden.“

Die Überraschung war groß, als dem Ingenieur im Archiv des Stammwerks in Rinteln zwei Prüfberichte der „Studiengesellschaft für Hochspannungsanlagen e. V.“ auffielen, die bereits im April des Jahres 1970 für die Firma Scheidt ausgestellt wurden – also bereits vor 54 Jahren.

 

Über 54 Jahre Sicherheit

Geprüft wurden im Jahr 1970 zwei begehbare Stationen, die jeweils mit einer 20 kV- und einer 30 kV-Anlage ausgestattet waren. Seinerzeit waren die Anforderungen im Vergleich zum heutigen Normenstand geringer. Die anfänglichen Kurzschlussströme betrugen nur 7,6 kA-1s und wurden in mehreren Versuchen bis auf 14,7 kA erhöht.

In erster Linie ging es darum festzustellen, inwieweit die Schaltzellen und die Stationen einem Lichtbogen standhalten können. Indikatoren, wie man sie heutzutage kennt, wurden noch nicht eingesetzt. Es erfolgte eine Bewertung nach Sichtprüfung. Dennoch wurden einige der Ansätze von früher in die heutige Normung übernommen. Beispielsweise das Prüfen mit geschlossener Tür (Passantenschutz) und bei geöffneter Tür (Bedienerschutz).

 

Entwicklung der Störlichtbogenprüfungen

Die frühen Prüfungen waren grundlegende Experimente, die den Weg für moderne Sicherheitsstandards ebneten. Heute umfassen Störlichtbogenprüfungen komplexe Szenarien, die den Einsatz von High-Tech-Messgeräten erfordern. Diese Weiterentwicklungen haben dazu beigetragen, die Sicherheit in Hochspannungsanlagen erheblich zu verbessern und das Risiko von Unfällen drastisch zu reduzieren.

 

Ein Vermächtnis der Sicherheit

 

Daniel Sokolic, bei Scheidt Ansprechpartner für alle elektrotechnischen Entwicklungen und Normvorschriften, zeigt sich begeistert: „Es ist schon beeindruckend, nicht nur auf ein Stück Firmengeschichte zu stoßen, sondern auch zu sehen, wie unsere Vorgänger zusammen mit den Energieversorgern bereits vor weit mehr als einem halben Jahrhundert die Grundsteine gelegt haben, um die Energieverteilung sicherer zu machen.“ Sein Fazit ist durchweg positiv: „Das wurde seinerzeit von allen Mitwirkenden einfach nur gut gemacht!“

Versuchsbericht und Anschreiben von 1970
Foto: Versuchsbericht und Anschreiben von 1970. Die "Studiengesellschaft für Hochspannungsanlagen e. V." wurde 1921 gegründet und ist heute die FGH Mannheim, die Forschungsgemeinschaft für elektrische Anlagen und Stromwirtschaft. Das Elektrizitätswerk Wesertal GmbH ist inzwischen zur E.ON Westfalen Weser fusioniert. Die Hannover-Braunschweigische Stromversorgungs AG, kurz HASTRA, ist heute die Avacon AG.

Hintergrund:

Was ist ein Störlichtbogen und wie entsteht ein Störlichtbogen?

Ein Störlichtbogen ist ein unerwünschtes elektrisches Phänomen, das in Hochspannungsanlagen auftreten kann. Er entsteht, wenn ein elektrischer Strom durch die Luft zwischen zwei leitenden Oberflächen fließt, ohne dass diese sich direkt berühren. Dieser Lichtbogen kann extrem hohe Temperaturen und intensive Licht- und Schallemissionen erzeugen, was sowohl für Menschen als auch für technische Anlagen gefährlich ist.

Die Entstehung eines Störlichtbogens erfolgt typischerweise in folgenden Schritten:

  • Spannungsüberschreitung: Bei einem Überspannungs­ereignis, wie einem Kurzschluss oder einem Schaltfehler, kann die elektrische Spannung an einem Punkt so stark ansteigen, dass sie die Isolationsfähigkeit der Luft oder anderer Isolations­materialien überwindet.
  • Ionisation der Luft: Die hohe Spannung führt zur Ionisation der Luft oder des Isoliermaterials, wodurch ein leitfähiger Kanal entsteht.
  • Stromfluss: Ein starker elektrischer Strom fließt durch diesen Kanal, der sogenannte Lichtbogen wird gezündet.
  • Plasma und Licht: Der Lichtbogen erzeugt ein heißes Plasma, das Temperaturen von mehreren Tausend Grad Celsius erreichen kann. Dies führt zu intensiver Licht- und Wärmestrahlung.

 

Die Gefahren eines Störlichtbogens umfassen nicht nur die potenziellen Schäden an elektrischen Anlagen, sondern auch schwerwiegende Verletzungen für Personen, die sich in der Nähe befinden. Daher ist die Störlichtbogenprüfung und entsprechende Schutzmaßnahmen ein wichtiger Bestandteil der Sicherheit in Netzstationen.

 

Was bedeutet Passantenschutz und Bedienerschutz?

Bei Störlichtbogenprüfungen sind Passantenschutz und Bedienerschutz zwei wesentliche Prüfverfahren, die sicherstellen sollen, dass sowohl Personen in der Nähe als auch das Bedienpersonal vor den Gefahren eines Störlichtbogens geschützt sind.

Passantenschutz

Passantenschutz bezieht sich auf den Schutz von Personen, die sich in der Nähe von elektrischen Anlagen aufhalten, aber diese nicht direkt bedienen. Hierbei wird geprüft, ob die Anlagen sicher bleiben, wobei die Türen geschlossen sind und ein Störlichtbogen auftritt. Die Prüfung konzentriert sich darauf, sicherzustellen, dass keine heißen Gase oder Trümmerteile nach außen dringen und somit Passanten gefährden können.

Prüfungsschritte für Passantenschutz:

  • Vorbereitung: Die elektrische Anlage wird vollständig geschlossen und Indikatoren werden gemäß Normvorgabe an kritischen Punkten aufgestellt.
  • Simulierung des Störlichtbogens: Ein künstlicher Störlichtbogen wird innerhalb der Schaltanlage erzeugt.
  • Bewertung: Die Ergebnisse werden vom Prüfingenieur analysiert, um zu beurteilen, ob die Kriterien nach EN 62271-202 für den Passantenschutz erfüllt sind.
Foto: Passantenschutz: Vor der geschlossenen Anlage sind Indikatoren aufgestellt.
Foto: Passantenschutz: Vor der geschlossenen Anlage sind Indikatoren aufgestellt.

Bedienerschutz

Bedienerschutz bezieht sich auf den Schutz des Personals, das direkt mit den elektrischen Anlagen arbeitet. Diese Prüfungen werden durch­geführt, wenn die Zugangstür zum Anlagen­raum geöffnet ist, um sicherzustellen, dass das Bedienpersonal nicht durch einen möglichen Störlichtbogen gefährdet wird.

Prüfungsschritte für Bedienerschutz:

  • Vorbereitung: Zugangs­türen der Anlage werden geöffnet, um eine realistische Bedienungs­situation zu simulieren. Es werden gemäß den Normvorgaben Indikatoren vor der Schaltanlage aufgestellt, die das Vorhandensein von Bedienern simulieren.
  • Simulierung des Störlichtbogens: Ein künstlicher Störlichtbogen wird in der Schaltanlage erzeugt.
  • Bewertung: Die Ergebnisse werden analysiert, um zu beurteilen, ob die Kriterien nach EN 62271-202 für den Bedienerschutz erfüllt sind.
Foto: Bedienerschutz: Für diese Prüfung bleibt die Zugangstür geöffnet.
Foto: Bedienerschutz: Für diese Prüfung bleibt die Zugangstür geöffnet.

Diese Prüfungen sind essenziell, um die Sicherheit sowohl der Passanten als auch der Bediener zu gewährleisten und sicherzustellen, dass elektrische Anlagen den aktuellen Sicherheitsstandards entsprechen.

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